Schutzstreifen außerorts sind keine sichere Infrastruktur - ADFC Nordrhein-Westfalen
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Schutzstreifen sind meist schmal und trennen den Autoverkehr nur durch Farbe vom Radverkehr. © ADFC NRW

Schutzstreifen außerorts sind keine sichere Infrastruktur

Aus Sicht des ADFC NRW gefährden die nun in NRW erlaubten Schutzstreifen außerhalb geschlossener Ortschaften die Sicherheit der Radfahrenden und verhindern den Bau echter, sicherer Radinfrastruktur.

Die durch gestrichelte Linien gekennzeichneten Schutzstreifen erfüllen nicht die Anforderungen an eine sichere Radverkehrsinfrastruktur, die Menschen aller Altersgruppen ein sicheres, zügiges und komfortables Radfahren ermöglicht. Schutzstreifen dürfen nicht als Lückenschluss im Radverkehrsnetz NRW dienen.

NRW braucht ein durchgängiges Radverkehrsnetz!

Ein sicherer und attraktiver Radverkehr erfordert ein landesweites, durchgängiges Radverkehrsnetz:

  1. Bestehende Radverkehrsverbindungen müssen erhalten und ausgebaut werden.
  2. Das Radwegenetz muss zu einem durchgängigen Radverkehrsnetz weiterentwickelt werden.

Breite Wege, intuitive Führung und Trennung der Verkehrsarten sind aus Sicht des ADFC ein wichtiger Beitrag für mehr und sicheren Radverkehr. Nur ein lückenloses und selbsterklärendes Radverkehrsnetz ist ein sicheres Radverkehrsnetz für alle Radfahrenden. Schilder wie „Ende Radweg“ oder „Radfahrer absteigen“ darf es daher in Zukunft nicht mehr geben.

 

Erlass des Landes NRW erlaubt nun „Schutzstreifen außerorts“

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNV) hält Schutzstreifen außerhalb geschlossener Ortschaften für sinnvoll und nennt zwei Beispiele:

  1. „zur kurzfristigen Schließung wichtiger Lücken im Radverkehrsnetz“
  2. und "um zeitlich begrezt während des Baus eines Radwegs eine Übergangslösung zu bereitzustellen."

Dementsprechend hat das MUNV im Januar 2024 den Erlass „Schutzstreifen außerorts“ veröffentlicht. Darin stellt das Ministerium fest, dass straßenbegleitende Radwege oder gemeinsame Geh- und Radwege „oftmals nicht zeitnah“ oder nur mit „erheblichem Aufwand“ realisiert werden können. Nach bisheriger Rechtslage (Verwaltungsvorschrift zur Straßen-Verkehrs Ordnung, VwV-StVO) waren Schutzstreifen nur innerorts und bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zulässig.

Der neue Erlass erlaubt nun die Anordnung von Schutzstreifen auch außerorts und bei zulässigen Geschwindigkeiten bis 70 km/h, stellt aber weitere Anforderungen.

Der Fahrrad-Club kritisiert den möglichen Einsatz von Schutzstreifen:

"Farbe ist keine Infrastruktur. Schon gar nicht außerorts, wo oft schnell gefahren wird. Aus Studien, Messungen und eigenen Erfahrungen wissen wir, dass die Mindestüberholabstände oft nicht eingehalten werden. Bei markierten Schutzstreifen werden Radfahrende in vielen Fällen sogar noch enger überholt."

Axel Fell, Vorsitzender ADFC NRW

Schutzstreifen außerorts nicht mit "Fahrrad-Gesetz" vereinbar 

Nach dem Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW (FaNaG) strebt das Land einen Radverkehrsanteil von 25 % an. Bei der Verbesserung des Radverkehrs orientiert sich das Land zudem an der Vision Zero. Sie hat das Ziel, dass künftig kein Mensch mehr im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt wird.

Schutzstreifen außerorts würden diesen beiden wesentlichen Zielen des FaNaG zuwiderlaufen. Zum einen stellen Schutzstreifen außerorts keine attraktive Infrastruktur (subjektives Unsicherheitsgefühl) dar und werden auch nicht dazu beitragen, dass mehr Menschen das Fahrrad als Verkehrsmittel wählen. Zum anderen stellen Schutzstreifen keine sichere Radverkehrsinfrastruktur dar (objektive Unsicherheit) und sind daher mit dem Ziel einer hohen Verkehrssicherheit nicht vereinbar.

Das Ziel der Landesregierung, bis 2027 in NRW 1.000 km neue Radwege zu bauen, darf nicht dazu führen, dass außerorts Schutzstreifen auf die Fahrbahn gemalt werden. Schutzstreifen sind weder objektiv ein Sicherheitsgewinn für Radfahrende noch subjektiv eine sichere Radverkehrsinfrastruktur.

Schutzstreifen: Untersuchungen belegen Sicherheitsrisiken für Radfahrende

Der Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen erlaubt nun, dass Schutzstreifen auch außerhalb geschlossener Ortschaften und bei zulässigen Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h angelegt werden können. Verschiedene Untersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass auf Straßen mit markierten Schutzstreifen die Wahrscheinlichkeit von unsicheren, also zu engen Überholvorgängen zunimmt. Auf schmaler Radverkehrsinfrastruktur, zu der auch Schutzstreifen zählen, wird bei der überwiegenden Zahl aller Überholvorgänge der sichere Überholabstand unterschritten, auch weil viele Menschen am Steuer ihres Autos „spurtreu“ überholen und sich nur an der gestrichelten Linie und nicht am vorgeschriebenen Überholabstand orientieren.

Wichtige Erkenntnisse aus dem Modellprojekt "Schutzstreifen außerorts" im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020: 

  • Schutzstreifen verringern eher den Seitenabstand von Kfz beim Überholen von Radfahrenden
  • Schutzstreifen können separate Radwege aus Sicherheitsgründen nicht ersetzen

Sie bieten nicht mehr Schutz als das Radfahren im Mischverkehr und erfüllen damit nicht ihren eigentlichen Zweck. 

Auch die Studie der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK BW) mit dem Titel „Modellvorhaben zum Einsatz von Schutzstreifen außerorts“  bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie Schutzstreifen die Verkehrssicherheit erhöhen sollen. Beide Untersuchungen haben wir in unserer blauen Infobox verlinkt.

Schutzstreifen werden nicht als sichere Radverkehrsinfrastruktur wahrgenommen

Ein zentraler Faktor für die Förderung des Radverkehrs ist das subjektive Sicherheitsempfinden. Wer sich auf dem Fahrrad sicher fühlt, nutzt es gerne und regelmäßig als Verkehrsmittel. Für viele Menschen, die bereits mit dem Rad fahren oder bereit wären, dies zu tun, ist das subjektive Unsicherheitsgefühl jedoch ein Hemmnis, überhaupt aufs Rad zu steigen.

So werden im Fahrrad-Monitor Deutschland 2023 des Bundesverkehrsministeriums die folgenden fünf Gründe am häufigsten genannt:

  1. „zu viel Verkehr“
  2. „rücksichtslose Autofahrer“
  3. „zu wenig separate Radwege“
  4. "keine Radwege/Radfahrstreifen vorhanden"
  5. "Radwege nicht ausreichend von der Fahrbahn getrennt"

Alle fünf erstgenannten Gründe der repräsentativen Befragung sprechen gegen den Einsatz von Schutzstreifen außerorts.

Fazit: Zweifellos wären Schutzstreifen im Vergleich zu baulich getrennten Radwegen eine schnell umsetzbare und kostengünstige Maßnahme, um bestehende Lücken im Radverkehrsnetz vermeintlich zu schließen.
Schutzstreifen erfüllen jedoch nicht die Anforderungen an eine objektiv und subjektiv sichere Radverkehrsinfrastruktur, die Menschen aller Altergruppen ein sicheres und komfortables Radfahren ermöglicht. Schutzstreifen dürfen daher nicht als Lückenschluss im Radverkehrsnetz Nordrhein-Westfalens dienen.

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