Radschnellweg durch Bonn: NRW-Verkehrsministerium muss endlich planen und bauen!
Wird Verkehrsminister Hendrik Wüst nun doch durch den Verkehrsausschuss gezwungen, den ersten Radschnellweg in NRW entlang einer Autobahn zu bauen? Mit dieser Forderung beschäftigt sich der Ausschuss am 18. März 2020.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern in einem Antrag den Landtag auf, Straßen.NRW mit Planung und Bau eines Radschnellweges entlang der A 565 quer durch Bonn bis nach Troisdorf und Sankt Augustin im Rhein-Sieg-Kreis zu beauftragen. Das Verkehrsministerium lehnt einen Radschnellweg bisher ab, obwohl die Autobahn auf Stelzen in den nächsten Jahren komplett abgerissen und neugebaut werden muss.
Der Landesverband des Allgemeine Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC NRW) begrüßt den Antrag, da es sich um eine Entscheidung mit Signalwirkung für zukunftsfähige Mobilität in NRW handelt und nicht zuletzt darum, den Forderungen der Volksinitiative ‚Aufbruch Fahrrad‘ gerecht zu werden und konkret in Richtung „Fahrradland Nr. 1“ voranzukommen. Verkehrsminister Hendrik Wüst, der grünes Licht für einen Bau erteilen müsste, sieht bisher jedoch keine Notwendigkeit für eine direkte und schnelle Verkehrsverbindung für Radfahrer*innen entlang der im Volksmund als „Tausendfüßler“ bezeichneten Stelzenautobahn. Als Alternative zu einem Radschnellweg entlang des Tausendfüßlers soll eine Radpendlerroute durch die Stadt dienen. Die Stadt Bonn hat bereits mitgeteilt, dass diese Route aufgrund der engen Bebauung und querender Hauptstraßen bei weitem nicht den Standard eines Radschnellweges erreichen kann. Eine Pendlerroute könnte nur das Radwegenetz ergänzen und Radschnellwege miteinander verbinden.
Der ADFC NRW ist über das Vorgehen der Landesregierung besorgt. Anstatt eine mutige und vorbildhafte Lösung für den Radverkehr entlang der Brückenkonstruktion zu entwickeln, hält man bei der Planung an Formalismen fest, stellt die von der Stadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung in Frage und kritisiert beispielsweise, dass der kommunale Entwurf für den Radschnellweg entlang der Autobahn über keinen 2,50 Meter breiten Gehweg verfügt. Betont werden vom Minister die Hindernisse und nicht die Chancen. Der Bau von vielen Kilometern Radschnellwegen, landesweit und in absehbarer Zeit, der von der erfolgreichen Volksinitiative Aufbruch Fahrrad gefordert wird und der mit dem in Erarbeitung befindlichen Fahrradgesetz bewirkt werden soll, lässt sich so wohl kaum erreichen.
„Die Landesregierung hat nun die Möglichkeit zu beweisen, wie ernst sie es mit ihrem Ziel ‚Fahrradland Nummer 1‘ meint – denn dieses kann nur erreicht werden, wenn Kommunen nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei der Planung von Radschnellwegen entlastet werden und das Verkehrsministerium nicht länger die Verantwortung für Radschnellwege auf die Kommunen abwälzt“, sagt Thomas Semmelmann, Landesvorsitzender des ADFC NRW.
Grundsätzlich wirft das Beispiel „Radschnellweg entlang der A565“ die Frage auf, wie die gesetzliche Zuständigkeit des Landes für Radschnellwege verfahrensmäßig in die Praxis umgesetzt wird. Der „Leitfaden für Radschnellverbindungen in NRW“ sieht für die Planung von Radschnellwegen ein Verfahren vor, welches – anders als bei Landesstraßen – zunächst eine von den Kommunen zu erstellende Machbarkeitsstudie vorsieht. Mit dieser Vorgabe werden sie zu „Bittstellern“ des Landes gemacht und es wird bereits im ersten Schritt die Verantwortung für Radschnellwege auf die Kommunen abgewälzt.
Der ADFC NRW fordert, dass – wie bei Landesstraßen – die Landesstraßenverwaltung generell den Bedarf für Radschnellwege in NRW ermittelt und – soweit erforderlich – Machbarkeitsstudien dann selbst erstellt oder per Auftragsvergabe erstellen lässt. Natürlich in Zusammenarbeit mit den Kommunen, aber in eigener Verantwortung des Landes.
„Radschnellverbindungen, über die der Radverkehr kreuzungsfrei, schnell und sicher geleitet werden kann, machen das Fahrrad für Menschen, die berufsbedingt pendeln, deutlich attraktiver und bieten enormes Potential, um für den Umstieg vom Auto aufs Fahrrad zu motivieren. Der Bau eines Radschnellweges im Zuge des Neubaus des Tausendfüßlers bietet eine einmalige Gelegenheit, diese Lücke im Radwegenetz für Pendlerinnen und Pendler in der Stauhauptstadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zu schließen“, sagt Georg Wilmers, stellvertretender verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Bonn/Rhein-Sieg.
Die Entwicklungen im Fall des Radschnellwegs entlang der Autobahn 565 in Bonn sind exemplarisch für die Wahrnehmung der Zuständigkeit des Landes für Radschnellverbindungen in Nordrhein-Westfalen. Deshalb fordert der ADFC NRW Verkehrsminister Hendrik Wüst auf, die Chance zu nutzen, den Bedarf für einen Radschnellweg in der Region Bonn/Rhein-Sieg anzuerkennen und den Landesbetrieb Straßenbau NRW, wie bei Landesstraßen üblich, mit der Planung und dem Bau eines Radschnellweges in der Region zu beauftragen.
Über den ADFC NRW
Der ADFC NRW e.V. ist mit mehr 45.000 Mitgliedern der größte Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. In knapp 40 Kreisverbänden und 100 Ortsgruppen sind wir vor Ort aktiv. Wir setzen uns für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik ein, fahren gemeinsam Touren und beraten in allen Fragen rund um das Fahrrad. Als Landesverband werben wir in Politik, Ministerien und Verbänden für eine Verkehrspolitik, die die Potentiale des Fahrrads ausschöpft. Dabei steht die Entwicklung einer umfassenden Radverkehrsinfrastruktur im Mittelpunkt: ein einheitliches Radverkehrssystem für Alltags-, Freizeit- und Urlaubsradfahrer*innen mit hohen Qualitätsstandards und guten Serviceeinrichtungen.
Zum Hintergrund:
Bereits im Jahr 2018 ergaben eine Wirtschaftlichkeitsberechnung und ein Potenzialnachweis, die durch die Stadt Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis in Auftrag gegeben wurden, dass ein ausreichender Bedarf und die Wirtschaftlichkeit für einen Radschnellweg in der Region Bonn/Rhein-Sieg gegeben sind.
Auf der Basis dieses Ergebnisses „beantragten“ Stadt und Kreis im Frühjahr 2019 bei Verkehrsminister Wüst, den Bedarf für einen solchen Radschnellweg anzuerkennen Dies würde bedeuten, dass der Verkehrsminister Straßen.NRW damit beauftragt, einen solchen Radschnellweg zu planen und zu bauen. Grundsätzlich sollte ein solcher „Antrag“ gar nicht nötig sein, denn nach der Gesetzesänderung des Straßen- und Wegegesetzes NRW im Oktober 2016 ist in NRW das Land und damit der Verkehrsminister mit „seiner“ Straßenverwaltung Straßen.NRW für Radschnellverbindungen zuständig und verantwortlich.
Zudem wäre nach der Gesetzesänderung die Bedarfsplanung für Radschnellwege wie bei Landesstraßen Sache des Landes. Eine solche Bedarfsplanung hätte sicherlich, wie bei der kommunal beauftragten Machbarkeitsstudie, zu der Erkenntnis geführt, dass es in der Region Bonn/Rhein-Sieg einen Bedarf für einen solchen Radschnellweg gibt und es sich anbietet, ja geradezu aufdrängt, einen Abschnitt des Radschnellwegs entlang der Autobahn zu führen, deren Neubau gerade geplant wird. Straßen.NRW erläuterte auf Nachfrage, dass sich der Landesbetrieb mit einem Radschnellweg erst dann konkret befasst, wenn der Bedarf für einen Radschnellweg vom Minister festgestellt wird.
Ein Radschnellweg wird jedoch vom Verkehrsministerium bisher abgelehnt, u.a. weil die Befürchtung besteht, dass eine integrierte Planung (Radschnellweg und Autobahn) zu deutlichen Verzögerungen beim Baubeginn der dringend erneuerungsbedürftigen Brücke des sogenannten „Tausendfüßlers“ führen könnte.
Der Neubau der Autobahn ist so geplant, dass erst eine neue Brücke für die eine Fahrtrichtung gebaut wird und Jahre später eine neue Brücke für die andere Fahrtrichtung. Am Ende – ca. im Jahr 2027 – werden dann beide neuen Brücken zu einer zusammengeschoben. Bei dieser Vorgehensweise sollte es möglich sein, jetzt durch das Land zu prüfen, ob beim Neubau der zweiten neuen Brücke, mit dem erst in einigen Jahren begonnen wird, ein paralleler Radschnellweg mit gebaut werden kann. Zumal der Radschnellweg nach Vorstellung von Stadt Bonn und dem Kreis auf der Seite der Autobahn verlaufen soll, die erst später gebaut wird. Eine verzögerungsfreie Fertigstellung der Autobahn 565 erscheint daher auch bei gleichzeitigem Bau des Radschnellwegs möglich. Zudem wird in Bonn die Idee diskutiert, einen solchen Radschnellweg unter der Brücke anzuhängen.
Weiterhin wird vom Verkehrsministerium gegen den von der Stadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis „beantragten“ Radschnellweg vorgebracht, dass die Machbarkeitsstudie nicht den geltenden Standards für Radschnellwege entspricht. Gemeint ist damit der 145-seitige Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb von Radschnellverbindungen in NRW, der im August 2019 vom Land herausgegeben wurde. In ihm ist erstmalig festgeschrieben, dass jeder Radschnellweg einen 2,50 Meter breiten Fußweg haben soll. Dies sieht die Machbarkeitsstudie für den Radschnellweg in der Region Bonn/Rhein-Sieg nicht vor, da diese Anforderung erst nach Erstellung der Machbarkeitsstudie festgelegt wurde. Zudem ist der generelle Bedarf für einen 2,50 Meter breiten Fußweg entlang der Autobahn v.a. in Brückenlage über festem Boden nicht erkennbar. Die fehlende Berücksichtigung eines Fußweges wird nun jedoch seitens des Landes kritisiert. Man wirft also Stadt und Kreis vor, einen Leitfaden nicht beachtet zu haben, den es zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie noch gar nicht gab.
Der ADFC NRW fordert, dass Minister Wüst endlich – aufgrund seiner seit 2016 bestehenden Verantwortlichkeit und auf Basis des „Antrags“ der Stadt Bonn sowie des Rhein-Sieg-Kreises – den Bedarf für einen Radschnellweg in der Region feststellt, und somit Straßen.NRW nicht nur den Neubau der Autobahn in diesem Abschnitt plant, sondern auch einen Radschnellweg, der sinnvollerweise in einem Abschnitt entlang der Autobahn 565 verläuft.
Ansonsten wird es angesichts der bisherigen Erfahrungen seit der Gesetzesänderung – es gibt so gut wie keine nutzbaren Kilometer Radschnellwege in NRW – sehr schwierig werden, in absehbarer Zeit in ganz Nordrhein-Westfalen Radschnellwege tatsächlich zu bauen.