Der Radverkehr und sein Potenzial in Deutschland - ADFC Nordrhein-Westfalen

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V.

Grafik mit Menschen, die sich auf dem Fahrrad in einer Stadt bewegen

Der ADFC hat eine Studie zum Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz in Auftrag gegeben. © ADFC

Der Radverkehr und sein Potenzial in Deutschland

Der ADFC hat eine Studie zum Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz in Auftrag gegeben. Ergebnis: Bei entsprechenden Bedingungen kann Deutschland den Radverkehr verdreifachen und so 19 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr im Verkehrssektor einsparen.

Der ADFC wollte wissen, wie hoch das wahre Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz ist, da Verkehrsprognosen den Radverkehr notorisch unterschätzen. Zwar sieht der Nationale Radverkehrsplan vor, dass Deutschland bis 2030 Fahrradland wird. Doch ließ sich bislang nicht genau beziffern, wie hoch das Potenzial des Radverkehrs tatsächlich ist, weil die „weichen“ Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl wie Qualität der Infrastruktur, Stressfreiheit, Sicherheitsgefühl oder Komfort nicht berücksichtigt werden. Deshalb hat der ADFC beim Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben.

Verdreifachung des Radverkehrsanteils ist möglich

Die Studie stellt grundlegende Potenziale dar, keine Prognosen. Sie berücksichtigt einen Zeithorizont bis 2035 und legt den Fokus auf alle Wege im Personenverkehr bis 30 Kilometern Länge. Sie ermittelt die möglichen Nutzungs- und Verlagerungspotenziale des Radverkehrs (Modal Shift) und berechnet, wie viel CO2 eingespart werden kann, wenn der Radverkehr bundesweit umfassend ausgebaut und gefördert wird.

Die Studie belegt, dass Deutschland den Radverkehrsanteil auf Wegen bis 30 Kilometer Länge bis 2035 von derzeit 13 auf 45 Prozent verdreifachen und die Verkehrsemissionen im Nahbereich um 34 Prozent reduzieren kann. 19 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente können jährlich eingespart werden, wenn die Radwege hervorragend ausgebaut, gute Schnittstellen mit Bus und Bahn geschaffen und die Kommunen fahrradfreundlich mit kurzen Wegen geplant werden.

Radverkehr kann 19 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sparen

„Wir sind froh, nun den wissenschaftlichen Nachweis dafür zu haben, dass unsere These stimmt: Deutschland kann bis 2035 ein weltweit führendes ‚Fahrradland-Plus‘ werden, in dem die Menschen gerne und sicher fast die Hälfte der alltäglichen Wege auf dem Rad zurücklegen. Es ist erwiesen, dass das Fahrrad enormes Potenzial zur Verbesserung der Klimabilanz hat, da es ein Drittel der Verkehrsemissionen im Nahbereich einsparen kann“, sagt der ADFC-Bundesvorsitzende Frank Masurat. Er stellte die Klimastudie Ende Mai 2024 mit Dr. Claus Doll vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI vor.

 

Das Fahrradland-Plus-Modell

Um das Potenzial des Radverkehrs vollständig auszuschöpfen, greift die Studie die Vision vom „Fahrradland Deutschland 2030“ aus dem Nationalen Radverkehrsplan 3.0 auf und entwickelt sie zum deutlich ambitionierteren „Fahrradland-Plus 2035“ weiter. Es umfasst mehrere Ausbaustufen und differenziert nach Regionstypen. Der Fokus liegt auf Wegen bis maximal 30 Kilometer Länge. In diesem Bereich kann der Radverkehr einen Großteil der kurzen und mittleren Wege übernehmen, wenn gute Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.

Wie groß das Potenzial des Radverkehrs ist, hängt vom regionalen Kontext ab. Deshalb schaut das Fahrradland-Plus-Modell, welche Potenziale in den Regionstypen Metropole, Regiopole, stadtnaher ländlicher Raum und peripherer ländlicher Raum stecken, wenn der Radverkehr in drei Ausbaustufen umfassend gefördert wird.

Regional kann der Radverkehrsanteil auf 63 Prozent steigen

Die Studie zeigt, dass sich der Anteil des Radverkehrs in allen Regionstypen verdreifachen lässt. Sie zeigt auch, dass in Regiopolen und ihren umliegenden Stadtregionen sogar ein Radverkehrsanteil von 63 Prozent bis 2035 erreicht werden kann.

Solche Oberzentren mit umliegenden Gemeinden haben weniger alternative Mobilitätsangebote als Metropolen, aber urbane Strukturen mit guter Nahversorgung und kürzeren Wegen. Die Menschen sind hier weniger vom Auto abhängig als in ländlichen Räumen. Sie sind teils schon jetzt Fahrradstädte mit einem sehr hohen Radverkehrsanteil wie Münster (47 %), Oldenburg (43 %) und Karlsruhe (30 %), die auch die besten Bewertungen im ADFC-Fahrradklima-Test erhalten.

Ausbaustufen für das Fahrradland-Plus

Deutschland wird zum Fahrradland-Plus bis 2035, wenn alle drei Ausbaustufen mit allen Maßnahmen umgesetzt werden. Die Ausbaustufen sind:

  • Einladende Infrastruktur: Deutschland verfügt bundesweit über durchgängige, sichere und komfortable Fahrradwegenetze und Fahrradabstellanlagen in allen Städten, Gemeinden und Regionen.
  • Fahrrad im Umweltverbund: Bahnhöfe und Haltestellen sind gut mit dem Fahrrad erreichbar und verfügen über ausreichend moderne Fahrradabstellanlagen, insbesondere im ländlichen Raum. Fahrräder können gut im öffentlichen Verkehr mitgenommen werden und sind digital in das Angebot eingebunden.
  • Fahrradfreundliche Kommunen: Eine nachhaltige Stadt- und Siedlungsgestaltung sowie die Gestaltung des öffentlichen Raums haben Bedingungen geschaffen, die zur aktiven Mobilität und zum Aufenthalt einladen. Viele Alltagswege sind insgesamt kürzer und können gut zu Fuß und per Rad zurückgelegt werden, weil Städte und Gemeinden fahrrad- und fußgängerfreundlicher, lebenswerter und autoärmer gestaltet sind.

 

„Weiter wie bisher“ ist keine Option

Die Studie zeigt auch, dass das volle Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz nicht ausgenutzt wird, wenn die aktuelle Verkehrspolitik weiter wie bisher läuft. Beim derzeitigen Kurs steigt der Radverkehrsanteil im Nahbereich von aktuell 13 Prozent bis 2035 nur auf 15 Prozent. Werden aber alle berechneten Maßnahmen umgesetzt, kann der Anteil auf 45 Prozent steigen.

„Voraussetzung ist, dass die Verkehrspolitik den ambitionslosen ‚Weiter wie bisher‘-Kurs verlässt und leistungsfähige Radwegenetze baut, eine hervorragende Verknüpfung von Rad und Bahn fördert und Kommunen mit kurzen Wegen und angepasstem Verkehrstempo schafft. Wenn es Deutschland mit den Klimazielen und hoher Lebensqualität ernst meint, muss das Fahrrad der neue Goldstandard für die alltägliche Mobilität sein – und mit neuem politischen Elan gefördert werden“, sagt der ADFC-Bundesvorsitzende Frank Masurat.

Das fordert der ADFC von der Politik

Laut Studie besitzt der Radverkehr ein immenses Potenzial für die Verkehrswende und für das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor, wenn Deutschland in den nächsten Jahren zum echten Fahrradland weiterentwickelt wird. Unabdingbar sind aber der politische Wille und ausreichend Ressourcen bei Bund, Ländern und Kommunen.

Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen und mehr Lebensqualität in Städte und Gemeinden zu bringen, fordert der ADFC die konsequente Umsetzung des skizzierten „Fahrradland-Plus“. Er fordert unter anderem:

  • Politischen Mut und Umsetzungswillen zum schnellen Ausbau durchgängiger, sicherer, einladender Radinfrastruktur in allen deutschen Kommunen.
  • Den Nationalen Radverkehrsplan zu einem ambitionierten Aktionsplan für das Fahrradland-Plus weiterzuentwickeln.
  • Bis spätestens 2035 bundesweit lückenlose Radwegenetze zu schaffen und dafür die Mittel in Bund, Ländern und Kommunen aufzustocken und langfristig zu sichern.
  • Die fahrradfreundliche Modernisierung des Straßenverkehrsrechts (StVG und StVO) und der technischen Regelwerke umzusetzen.
  • Mobilitätsgesetze auf Länderebene zu verabschieden, um Kommunen zum Ausbau der Radwegenetze zu verpflichten.

Die ausführliche Einordnung der Studienergebnisse des ADFC sowie alle Forderungen hier >

Die Einordnung und die Kurzfassung der Studie finden sich im blauen Medienbereich.

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