
Zugeparkter Radweg © ADFC, April Agentur
ADFC-Fahrradklima-Test 2024: NRW noch immer weit entfernt vom Fahrradland #1
Düsseldorf, 17. Juni 2025
Nr. 11/25
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) NRW hat heute die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2024 für Nordrhein-Westfalen in der Landespressekonferenz in Düsseldorf präsentiert. Über 55.000 Menschen in NRW haben an der Umfrage teilgenommen. Von den 396 Kommunen in NRW haben es 254 in die Auswertung geschafft. Im Ruhrgebiet gibt es vereinzelte Anzeichen für Verbesserung. Im bundesweiten Ranking kann sich Münster auf Platz 1 in seiner Größenklasse halten und drei Kleinstädte aus NRW führen die kleinste Größenklasse an. Aachen holt den Sonderpreis in der Kategorie „Miteinander im Verkehr“.
Die Gesamtnote aller Kommunen in der Auswertung für 2024 liegt bei 3,88. Damit stagniert die Note für NRW (2022: 3,93). Diese Stagnation zeigt, dass viele Menschen in NRW nach wie vor mit den Radfahrbedingungen nicht zufrieden sind. Im Hinblick auf die Kommunalwahlen appelliert der ADFC NRW an den politischen Gestaltungswillen der Politikerinnen und Politiker vor Ort.
Fahrradland #1 in weiter Entfernung
Landesvorsitzende Susanne Niemann sagt: „NRW hat mit dem FaNaG seit 2022 ein eigenes Fahrradgesetz und möchte Fahrradland #1 werden. Die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests zeigen, dass dieses Ziel aber noch lange nicht erreicht ist. Im Gegenteil: Die meisten Radfahrenden kennen aus ihrem Alltag zu schmale Radwege und Schlaglochpisten oder sind gezwungen, um falsch geparkte Autos oder um Baustellen herum zu fahren. Wir stehen in NRW vor großen Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, brauchen wir engagierte Kommunalpolitikerinnen und -politiker und massive Investitionen.“
Landesvorsitzende Susanne Niemann: „Kommunalwahlen als Chance für mehr Radverkehr nutzen!
Die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests kommen in NRW zu einem spannenden Zeitpunkt. Im September 2025 stehen in diesem Bundesland die Kommunalwahlen an.
Im Hinblick auf diese Wahlen appelliert Landesvorsitzende Susanne Niemann an die kommunalen Politikerinnen und Politiker: „Der ADFC-Fahrradklima-Test zeigt, dass die Fahrradfreundlichkeit von NRW noch ausbaufähig ist. Langfristig kann man das vor allem durch ein flächendeckendes, durchgängiges und damit sicheres Radwegenetz verbessern. Aber ein Blick in die Bewertung der Einzelfragen zeigt: Es muss nicht überall ein neuer Fahrradweg sein. In manchen Orten helfen auch nicht-bauliche Maßnahmen wie zum Beispiel verstärkte Falschparkkontrollen oder ein zuverlässiger Winterdienst auf Radwegen. Außerdem haben sich für Kommunen durch die StVO-Novelle in 2024 einige neue Möglichkeiten ergeben; zum Beispiel bei der Einrichtung von Fahrradstraßen und Tempo-30-Zonen. Nutzen Sie diese Chance und zeigen Sie den Wählerinnen und Wählern in Ihrem Ort, dass Sie die Herausforderungen im Radverkehr anpacken wollen!“
Marc Zietan, Beisitzer im Landesvorstand und Vertreter für verkehrspolitische Themen, richtet sich mit einem Appell an die Wählerinnen und Wähler selbst: „Die Gemeinden und Städte im Land sind durch das NRW-Fahrradgesetz verpflichtet, sich lokal um ein durchgängiges und sicheres Radverkehrsnetz zu kümmern. Erinnern Sie Ihre kommunalen Politikerinnen und Politiker an diese Verpflichtung. Mit Hilfe der Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests können Sie auf mögliche Handlungsfelder hinweisen und so in den Austausch kommen. Denn für den Radverkehr ist die kommunale Ebene besonders wichtig: Hier werden die Radwege konzipiert und umgesetzt, auf denen Sie später fahren können!“
Ergebnisse im Detail: Was läuft gut, was eher nicht?
Die Radfahrenden in NRW bemängeln vor allem fehlende Kontrollen von Falschparkern auf Radwegen (Durchschnittsnote 4,79), die Ampelschaltungen für Radfahrende (4,80) und zu schmale Radwege (4,84). Besser läuft es hingegen bei der Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,94) und geöffneten Einbahnstraßen in Gegenrichtung (2,89).
Beim Beantworten des Fragebogens hatten die Teilnehmenden zusätzlich die Möglichkeit, die Wichtigkeit einer Frage auf einer Skala anzugeben. Bei der Betrachtung der Wichtigkeit der einzelnen Aspekte fällt auf, dass NRW in einigen Bereichen schlecht abschneidet, die den Fahrradfahrenden besonders wichtig sind. Für die einzelnen Kommunen empfiehlt der ADFC NRW deshalb, einen Blick in die Wichtigkeits-Bewertung der Radfahrenden zu werfen und dies mit der eigenen Priorisierung in der Radverkehrsplanung abzugleichen. Welche Aspekte des Radfahrens in einem Ort in NRW gut laufen, als besonders wichtig bewertet werden und wo Verbesserungsbedarf besteht, kann im Einzelnen in den Ergebnistabellen eingesehen werden.
Aufholer im Ruhrgebiet: Erste Anzeichen für Verbesserung
Während die meisten Städte im Ruhrgebiet wie Essen (Gesamtnote 4,33) oder Duisburg (4,46) weiterhin als Schlusslichter am Ende der Rankings stehen, gibt es mit zwei prämierten Aufholern aus dem Revier erste Anzeichen für eine Verbesserung in der Region. Bochum konnte sich von einer 4,31 (2022) auf eine 4,08 verbessern. Spürbar angenehmer geworden ist das Radfahren in dieser Stadt zum Beispiel an einem längeren Abschnitt einer stark befahrenen Hauptachse. Hier wurde auf beiden Seiten der ursprünglich vierspurigen Straße jeweils ein Fahrstreifen in einen Radweg umgewidmet. Insgesamt ist die Fahrradfreundlichkeit von Bochum aber noch ausbaufähig. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür könnte der Lückenschluss zwischen einzelnen Radwege-Abschnitten sein, um ein zusammenhängendes und durchgängiges Radwegenetz zu erreichen.
Auch die mittelgroße Stadt Witten im Ruhrgebiet gehört zu den Aufholern. Witten zeigt, dass sich Investitionen in den Radverkehr lohnen: Die Stadt hat einige wichtige Projekte seines Radverkehrskonzeptes umgesetzt wie zum Beispiel Radwege an einer stark befahrenen Verbindung zur Innenstadt oder eine Radbrücke zu einem beliebten Bahntrassen-Radweg. Diese spürbaren Verbesserungen für Radfahrsicherheit und Radfahrkomfort honorierten die Radfahrenden in Witten mit einer Notenverbesserung um 0,4 Punkte (Gesamtnote 2024: 4,13, Gesamtnote 2022: 4,53).
Die Gesamtnoten für die beiden Städte zeigen zwar, dass es noch viel zu tun gibt. Aber die Verbesserungen deuten darauf hin, dass sich verstärkte Bemühungen für den Radverkehr auch bezahlt machen.
Kleine Städte, große Wirkung
Mit Wettringen (Gesamtnote 1,55), Reken (1,63) und Olfen (2,40) führen kleine Städte aus Nordrhein-Westfalen die Größenklasse unter 20.000 Einwohner an. Insgesamt schneiden in NRW die kleineren Städte besser ab als die großen Metropolen. Auch in den kleineren Städten gibt es Kritik an der Infrastruktur und Instandhaltung von Radwegen. Aber das Sicherheitsgefühl in den kleinen Städten ist deutlich besser: Insgesamt wird es hier im Schnitt eine Note besser bewertet als in großen Städten. Besonders Orte in der Nähe zu den Niederlanden können vordere Ränge belegen. Naheliegend ist, dass hier die überwiegend flache Topografie und die etablierte Fahrradkultur eine Rolle spielen. Aber entscheidend ist, dass die gut bewerteten Orte darüber hinaus starke Strukturen der Radverkehrsförderung durch Politik und Verwaltung aufweisen.
Eine Stadt, die dies beispielhaft illustriert, ist das 8.000-Personen-Städtchen Wettringen im Münsterland. Wie im vorherigen ADFC-Fahrradklima-Test kann sich die Stadt mit einer Gesamtnote von 1,55 bundesweit den ersten Platz in der Kategorie der Städte unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner sichern. Wettringen hat in den letzten Jahren massiv in die Fahrradinfrastruktur investiert und konnte dadurch auch in einigen Bereichen wie zum Beispiel der Oberfläche der Radwege (1,4) und der Führung an Baustellen (1,7) nochmal Verbesserungen erzielen. Politischer Wille und Konsens sind der Schlüssel: Rat, Verwaltung und Bürgerschaft arbeiten in Wettringen gemeinsam. Das zeigt, dass ein klares politisches Bekenntnis zum Rad als smartes Alltagsverkehrsmittel das A und O ist.
Sonderpreis für Aachen in der Kategorie „Miteinander im Straßenverkehr“
Zu den Gewinnerstädten in NRW gehört auch Aachen. Die Stadt erhält den Sonderpreis in der Kategorie „Miteinander im Straßenverkehr“. Denn in Aachen wird das Miteinander im Straßenverkehr überdurchschnittlich gut bewertet (Gesamtnote „Miteinander im Verkehr“ 3,6).
Städte mit der stärksten Veränderung in NRW
Reken (Kreis Borken) im Münsterland konnte sich von einer 2,37 (2022) auf eine beeindruckende 1,63 verbessern und ist damit die Kommune in NRW mit der höchsten Aufwertung um 0,74 Notenpunkte. Besonders erfreulich ist, dass die Menschen in Reken die Sicherheit beim Radfahren noch einmal deutlich besser bewertet haben als beim letzten ADFC-Fahrradklima-Test. Ebenfalls im Münsterland gelegen, muss Nordkirchen (Kreis Coesfeld) dagegen eine merkliche Verschlechterung der Bewertung von 3,28 (2022) auf 3,73 verzeichnen. Damit erhält die Kommune die stärkste Abwertung um 0,45 Notenpunkte. Die Menschen in Nordkirchen sind vor allem mit der Führung an Baustellen und mit der Breite der Radwege weniger zufrieden als in 2022.
Fazit
Der ADFC NRW sieht weiterhin in vielen Orten in NRW noch Nachholbedarf. Die gute Nachricht: Jede Kommune, jede Stadt und Gemeinde kann fahrradfreundlich werden – und das ganz schnell. Für alle, die ihre Stadt fahrradfreundlich machen wollen, hat der ADFC eine hilfreiche Toolbox zusammengestellt. Hier finden sich Werkzeuge, Konzepte und Denkanstöße für mehr Fahrradfreundlichkeit vor Ort: www.adfc.de/toolbox
Welche Stellschrauben es auf Landesebene gibt, hat der ADFC NRW in seinem Papier „Soforthilfe FaNaG“ formuliert: https://nrw.adfc.de/artikel/dossier-soforthilfe-fanag
Ergebnistabellen und Steckbriefe der Kommunalbefragung sind ab sofort online verfügbar unter https://fahrradklima-test.adfc.de/.
Eine Pressemappe mit dieser Pressemitteilung sowie weiteren Hintergrund-Materialien und Bildern finden Sie hier zum Download: https://docs.adfc-nrw.de/s/kZYN9mFni8t3BKD
Für Interviews und Gespräche stehen zur Verfügung:
Susanne Niemann
Landesvorsitzende ADFC NRW
Tel.: 0179 8017625
s.niemann [at] adfc-nrw.de
Marc Zietan
Beisitzer im Landesvorstand und Vertreter für verkehrspolitische Themen, ADFC NRW
Tel.: 0179 8017625
m.zietan [at] adfc-nrw.de
Kontakt
Alike Schwarz
Referentin für Presse-/Öffentlichkeitsarbeit / Pressesprecherin
Tel.: 0211 / 68708-13
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